Extreme Toleranz und Dummheit (alle)

Devino M., Samstag, 08.11.2025, 11:18 (vor 7 Tagen) @ Devino M.

Ein paar Dostojewskijs-Zitate:

Wenn es keinen Gott gibt, ist alles erlaubt.

Sie verlangen Freiheit ohne jeden Sinn, nur um sich niemandem zu fügen.

Freiheit, wenn sie nicht mit einer sittlichen Idee verbunden ist, verwandelt sich in Hässlichkeit und Chaos.

Die Menschen werden die Allvergebung predigen — und damit die Nachsicht gegenüber dem Bösen.

Eine Interpretation dazu könnte sein - auch wenn nicht im wörtlichen Zitat dazu:
Die Menschen werden eine solche Freiheit und Nachsicht predigen, dass schließlich jeder, der denkt oder unterscheidet, als Feind gilt.

Oder auch:
Die Toleranz wird ein solches Niveau erreichen, dass intelligenten Menschen das Denken verboten wird, um Idioten nicht zu beleidigen.

***
So mag das Zitat zwar nicht von dem Herren selbst sein, von seinem Gedankengut jedoch durchaus herleiten lassen. Nun wird von correctiv das Zitat verpönt, in Form von:
1. „Es wird genutzt, um Stimmung gegen abweichende Meinungen zu machen.“
2.Es handelt sich um ein sogenanntes „Kuckuckszitat“: Ein Zitat, das ohne belegbare Herkunft einer Person zugeschrieben wird und so die Glaubwürdigkeit durch Autoritäts-Imputation erzeugt.

Jedoch, ist man doch bei correctiv an keiner Stelle geistig fähig, diesem Argument sich auf Augenhöhe zu stellen. Und wenn wir den Artikel von Correktiv mal selbst nach Propaganda-Kriterien untersuchen (hab Chat-GPT mit hinzu gezogen, um mir die Arbeit zu erleichtern), dann kommt so etwas nach wenigen Sekunden heraus:

Wenn wir dies mit klassischen Kriterien von Propaganda und Hetze vergleichen (z. B. nach Arthur Schopenhauer: grobe Verzerrungen, falsche Autoritätszuschreibungen, Stigmatisierung abweichender Meinungen), so lassen sich folgende Übereinstimmungen herausarbeiten:

Falsche Autoritäts­übertragung → das Zitat wird fälschlich Dostojewski zugeschrieben, um ihm Autorität zu verleihen → Propagandastrategie.

Stimmungsmache gegen Andersdenkende → das Zitat formuliert eine Bedrohung: „Denken wird verboten …“ und richtet sich gegen „Idioten“, also eine Spaltung „wir vs. die anderen“ → typisches Mittel von Hetze.

Mangel an belegbarer Quelle = bewusste Irreführung → entspricht dem Propaganda-Kriterium „an der Wahrheit vorbei arbeiten“.

Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen vier bis sechs typische Propagandakriterien (nach klassischer Literatur) gegenüberstellen und zeigen, welche im Artikel explizit oder implizit erfüllt sind.

Schopenhauer nennt 38 Kunstgriffe (Eristische Strategeme). Überträgt man diese auf das Umfeld des Fake-Zitats und auf Correctivs Text, zeigen sich folgende relevanten Mechanismen — auf beiden Seiten der Diskursebene:

I. Auf der Seite des viralen „Dostojewski-Zitats“ (Manipulative Verbreitung)

Strategem Nr. 30 – Scheinbare Autorität

„Man beruft sich auf Autoritäten, statt auf Vernunftgründe.“

→ Klassisch erfüllt: Man nutzt Dostojewskis Namen, um ein gefühltes Argument (gegen „Über-Toleranz“) zu legitimieren, ohne inhaltliche Prüfung.

Strategem Nr. 8 – Falsche Prämissen einschmuggeln

„Man setzt etwas als zugestanden voraus, was noch zu beweisen wäre.“

→ Das Zitat enthält implizit die Prämisse, dass „Toleranz“ tatsächlich Denkverbote hervorbringe.
Diese emotionale Vorannahme wird still eingepflanzt, bevor eine rationale Prüfung erfolgt.

Strategem Nr. 23 – Appell an Emotionen statt Argumente

„Man macht den Gegner zornig oder erregt Gefühle, um ihn von der Verteidigung abzuhalten.“

→ Das Zitat zielt auf moralische Empörung („Idioten regieren, Intelligente werden mundtot“) — ein archetypisches „Wir gegen die Dummen“-Narrativ.

II. Auf der Seite der Rhetorik im Correctiv-Artikel

(nicht im Sinne der Gleichsetzung, sondern der rhetorischen Analyse)

Strategem Nr. 1 – Übertreiben der Position des Gegners

„Man dehnt die Behauptung des Gegners über das Maß hinaus, um sie leichter zu widerlegen.“

→ Correctiv paraphrasiert teils generalisierend („wird genutzt, um Stimmung gegen Minderheiten zu machen“). Das mag zutreffen, ist aber zugleich eine Verallgemeinerung, die den Effekt verstärkt.

Strategem Nr. 4 – Den Gegner auf Widersprüche festnageln

„Zeige, dass seine Aussage mit etwas anderem, das er zugibt, unvereinbar ist.“

→ Der Artikel demonstriert dies, indem er zeigt: Wer das Zitat als „Dostojewski“ verbreitet, widerspricht der belegbaren Textlage.
Das ist formal korrekt, wird aber psychologisch als moralisches Fehlverhalten gerahmt (ethischer Druck statt bloßer Faktkorrektur).

Strategem Nr. 38 – „Ad auditores“ (Sieg vor dem Publikum, nicht vor der Wahrheit)

„Das Ziel ist nicht Wahrheit, sondern Applaus der Zuhörer.“

→ Beide Seiten bedienen ein Publikum:
Das Zitat-Mem will Zustimmung der Empörten; Correctiv will Zustimmung der Aufklärer.
Schopenhauer würde sagen: Beide führen keine reine Dialektik (Suche nach Wahrheit), sondern eine Eristik (Streit ums Rechtbehalten).

Fazit

Nach Schopenhauers Kriterien arbeitet das Fake-Zitat mit den Strategemen 8, 23, 30, der Correctiv-Artikel teilweise mit 1, 4, 38.
Beide illustrieren, dass öffentliche Diskurse selten „philosophische Dialektik“ sind, sondern psychologische Kämpfe um Deutungshoheit.


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